letter sent by Harold Marcuse to the Berlin Cemetery administration:

16. Februar 2002

Dorotheenstädtischer Friedhof
Chausseestr. 126
10115 Berlin-Mitte GERMANY
Tel.: +49- (0)30- 461 72 79

Betr: Beisetzungsbedingungen / Herbert Marcuse

Sehr geehrte Damen oder Herren!

Ich möchte mich nach den Voraussetzungen einer Beisetzung auf Ihrem Friedhof erkundigen--nicht für mich, sondern für meinen Grossvater, den bekannten Philosophen Herbert Marcuse. Lassen Sie mich bitte etwas zum Hintergrund erklären.

Herbert Marcuse, 1898 in Berlin geboren, war Gründungsmitglied der sogenannten Frankfurter Schule, bevor er 1933 wegen seiner jüdischen Abstammung mit seinem einzigen Sohn (meinem Vater, der 1928, ebenfalls in Berlin, geboren ist) aus Deutschland floh. Während des Krieges hat Herbert Deutschland-Analysen für die US-Regierung geschreiben, dann in den 50er Jahren in Boston eine Universitätslaufbahn, die ihm in Deutschland verwehrt worden ist, eingeschlagen. In den 60er Jahren hat er einen Ruf nach Kalifornien angenommen. Dort hat er bald Weltruhm erlangt als einer der theoretischen "Väter" der Studentenbewegung. Er hat Ende der 60er Jahre Gastprofessuren in Frankfurt und Berlin innegehabt, hat aber zu Lebzeiten nicht nach Deutschland zurücksiedeln wollen. Dennoch hat er immer wieder Einladungen nach Deutschland angenommen, zuletzt 1979 für die Frankfurter Römerberggespräche und an ein Max-Planck-Institut in Starnberg. Dort ist er unerwartet einem Hirnschlag erlegen.

Er ist damals eingeäschert worden. Auf Wunsch der Familie, insbesondere seiner inzwischen verstorbenen Frau, sind seine Aschen in die USA überführt worden. Vor kurzem gab es von Studenten eine Anfrage nach seiner Grabstätte[link], und wir haben den Aufbewahrungsort der Aschenurne ausfindig gemacht--eine Leichenhalle in New Haven, Connecticut. Nun müssen wir entscheiden, wo seine endgültige Rühestätte sein soll. Einige Familienmitglieder meinen, Kalifornien sei der richtige Ort, andere finden, der Dorotheenstädtische Friedhof wäre angemessener. Von Hegel, über den Herbert seine Dissertation geschrieben hat, ist er nachhaltig beeinflusst worden. Mit anderen auf Ihrem Friedhof Ruhenden, wie Brecht und Hans Eisler, war er befreundet. So viel zum Hintergrund.

Nun würden wir gerne von Ihnen hören, wie es mit einer Aufnahme in Berlin stünde.

Mit freundlichen Grüssen,
Harold Marcuse


draft of Dec. 2002 letter from Peter Marcuse to the Berlin Senator für Wissenschaft, Forschung und Kultur

Betr: Ehrengrabbezeichnung für das Grab von Herbert Marcuse

Sehr geehrter Herr Flierl!

Nach langer Diskussion mit den anderen Familienmitgliedern Herbert Marcuses haben wir beschlossen, dass die sterblichen Überreste meines Vaters auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin beigesetzt werden sollen. Wir haben schon die notwendigen Verhandlungen mit der Friedhofsverwaltung geführt, und die Beisetzung soll mit einer kleinen Feier am 105. Geburtstag Herberts, dem 19. Juli 2003, stattfinden. Wir möchten wissen, ob die Stadt Berlin bereit ist, die Pflege von Herbert Marcuses Grabstätte als Ehrengrab der Stadt zu übernehmen.

Zum Hintergrund: Herbert Marcuse wurde 1898 in Berlin geboren, wurde nach Studien bei Heidegger Gründungsmitglied der sogenannten Frankfurter Schule, bevor er 1933 wegen seiner jüdischen Abstammung aus Deutschland floh. Während des 2. Weltkriegs hat Herbert Analysen über Deutschland für die US-Regierung geschreiben. In den 50er Jahren hat er in den USA die akademische Laufbahn, die ihm in Deutschland verwehrt worden ist, eingeschlagen. In den 60er Jahren hat er Weltruhm erlangt als einer der theoretischen "Väter" der Studentenbewegung. Zu der Zeit hat er Gastprofessuren in Frankfurt und Berlin innegehabt, doch hat er zu Lebzeiten nicht nach Deutschland zurücksiedeln wollen. Trotzdem fühlte er sich mit Deutschland verbunden, und hat immer wieder Einladungen nach Deutschland angenommen. Zuletzt 1979 hat er an den Frankfurter Römerberggesprächen teilgenommen. Kurze Zeit danach ist er in Starnberg unerwartet einem Hirnschlag erlegen.

Er ist damals eingeäschert worden. Auf Wunsch der Familie, insbesondere seiner inzwischen verstorbenen Frau, sind seine Aschen in die USA überführt worden. Doch haben wir sie mangels eines befriedigenden Beisetzungsorts nicht endgültig zur Ruhe gelegt. Studentische Anfragen haben uns vor kurzem veranlasst, uns erneut mit dieser Frage zu befassen[link]. Angesichts der veränderten kulturellen und politischen Situation in Deutschland finden wir es angemessen, dass Herbert in seiner Geburtsstadt Berlin beigesetzt wird.

Wir haben den Dorotheenstädtischen Friedhof als Ruhestätte ausgewählt wegen einigen der anderen dort begrabenen Prominenten. Von Hegel, über den Herbert schon in seiner Dissertation geschrieben hat, ist er nachhaltig beeinflusst worden. Mit anderen auf diesem Friedhof Ruhenden, wie Bertold Brecht und Hans Eisler, war er zeitlebens befreundet.

Für uns war es ein schwieriger aber wichtiger Schritt, Herbert über den historischen Bruch hinweg an diesen symbolischen Ort zurückzuführen. Nun möchten wir gerne von Ihnen hören, ob das "neue Berlin" diesen einst aus dem Lande vertriebenen Sohn mit einer Ehrengrabbezeichnung wieder willkommen heissen mag.

Peter Marcuse


The answer was ultimately "yes." See the pages of articles about the July 2003 burial, and of photographs of the burial and grave.
prepared for the web by Harold Marcuse, Dec. 18, 2002, reformatted and links added 10/11/04
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